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Wozu frei erfundene Massaker?

1. November 2016 , Geschrieben von Luna Veröffentlicht in #Geschichte, #Gesellschaft, #Geist, #BRD, #Gardelegen, #Krieg, #Korruption, #Mensch, #Millitär

Leserbrief an die AZ-Online

„Die am 13. April 2011 auf Weisung von Herrn Bürgermeister Konrad Fuchs für die Öffentlichkeit bleibend installierten Informationstafeln auf der städtischen Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune weichen bei zahlreichen Tatsachenbehauptungen von der tatsächlichen Aktenlage ab. Diese Aktenlage ist seit Jahrzehnten frei zugänglich. Und sie ist für jedermann sowohl in der Stadtverwaltung Gardelegen als auch in einigen führenden Archiven im In- und Ausland jederzeit erreichbar.

Speziell hinzu kommt, dass durch das Erscheinen des Forschungsberichtes ,Todesmärsche 1944/45´ von Daniel Blatman der breiten Öffentlichkeit ein weiteres Informationsangebot zu dem Themenkreis ,Massaker bei Gardelegen im April 1945´ zur Verfügung steht, in dem der Forscher Blatman seine Lesart von Teilen eines Teils der Aktenlage anbietet – und sich dem Besucher der Gardeleger Gedenkstätte somit Vergleichsmöglichkeiten anbieten, die im Ergebnis das aktuelle Informationsangebot der Gedenkstätte Gardelegen sogar dem aktenunkundigen Besucher als fragwürdig, ja unglaubwürdig erscheinen lassen.

Die Abweichungen sind so gravierend, dass der Stadt Gardelegen als juristisch voll verantwortlichem Träger der Gedenkstätte ein sofortiger Verzicht auf diese Informationstafeln anzuraten ist, will man sich darüber hinaus nicht auch noch juristisch angreifbar machen.

Ich rate dies der Stadt Gardelegen in Kenntnis und Anwendung der gesamten Aktenlage und in Kenntnis der inhaltlichen Unterschiede von Gesinnung, Glauben und Sachkenntnis. An dieser Stelle beschränke ich mich nur auf einige der falschen Tatsachenbehauptungen, die dem Besucher der Gedenkstätte allein durch blanken Augenschein offenbar werden, sowie auf einige der Fehlleistungen, die durch das Blättern in Blatmans Buch ,Todesmärsche´ erkennbar werden. Und das folgende Fehlerregister ist nicht vollständig.

Durch blanken Augenschein und kinderleichtes Abzählen kann sich jeder Besucher selbst informieren, dass der Friedhof der Gedenkstätte 1020 Grabdarstellungen und weitere drei ehemalige Gräber enthält, mithin also 1023 ,Gräber´. Auf der nun dazugehörigen Informationstafel aber wird der Besucher informiert, dass der Friedhof weit über 1030 Gräber enthält: ,Zusätzlich zu den vorhandenen Gräbern bestattete man auf dem Friedhof 16 weitere NS- Opfer. Aufgrund einer testamentarischen Verfügung wurde hier beispielsweise 1946 ein inzwischen verstorbener Überlebender der Todesmärsche beerdigt. Auch mehrere Polen, die vermutlich Zwangsarbeiter waren, fanden hier ihre letzte Ruhestätte.´ (Tafel: ,Der Friedhof als Gedenkort´).

Die entsprechenden Unterlagen im Stadtarchiv Gardelegen weisen aber nur 1022 Gräber nach. Schon solch eine Tatsachenbehauptung im neuen Informationsangebot müsste eigentlich jeden Verantwortlichen das Stopp-Schild heben lassen. Seltsam, warum dies nicht geschehen ist. Auffällig auch, dass der Leiter des Stadtarchivs wie der gegenwärtig von Bürgermeister Fuchs öffentlich gelobte Betreuer von Besuchergruppen auf der Gedenkstätte da nicht wirksam wurde, wenn schon dem Bürgermeister die Nennung der korrekten Anzahl der Grabdarstellungen auf der städtischen Gedenkstätte und alle sich daraus ergebenden Wirkungen scheinbar nicht wichtig sind.

Anderes Beispiel: Durch bloßen Augenschein kann jeder Besucher der Gedenkstätte erkennen, dass die drei großformatig abgebildeten Männer auf Tafel 2 nicht die ,Die Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune´ sind, wie es seltsamerweise groß geschrieben steht, sondern nur drei großformatig dargestellte Männer, bezeichnet als ,Die deutschen Menschen´ (,The German People´). Drei Männer, die übrigens auch nie und nimmer etwas mit dem Geschehen der Todesmärsche oder gar der Massaker bei Gardelegen zu tun hatten – was die Verwendung ihrer Gesichter nur noch hinfälliger macht –, nach der konsequenten Text-Bild-Konzeption des Informationssystems als ,Mahn- und Gedenkstätte´ zu bezeichnen, ist nicht klug.

Mit einfachem logischen Denken kommt man dem mangelnden Wahrheitsgehalt manch anderer Tatsachenbehauptungen auf die Spur. Auf der Tafel ,Die Todesmärsche rund um Gardelegen´ ist von ,Massenerschießungen´ von KZ-Häftlingen am Forsthaus Lindenthal, in Zienau, bei Ipse die Rede. Die Toten auf den Friedhöfen in Letzlingen, Wannefeld und Berge, um mal nicht nur Roxförde oder Bergfriede zu erwähnen, oder gar Mieste oder die Mahnmale in Dolle und Uchtspringe, sind den Machern kein Kreuzchen wert. In Lindenthal, Zienau und Ipse gibt es aber keine erschossenen Massen, weder auf Sonderfriedhöfen noch auf den normalen Friedhöfen. Das sollte dem Bürgermeister von Gardelegen doch bekannt sein. Man kann ja auch die Ortsteilbürgermeister zum Wahrheitsgehalt der Informationstafel befragen, sogar im Stadtrat. Und der Bürgermeister müsste entsprechende Schlüsse über den Wahrheitsgehalt dieses ihm offerierten Informationsangebotes ziehen und entsprechende Entscheidungen treffen können. Warum hat Herr Fuchs es nicht getan? Wozu drei erfundene Massaker?

Weiter in der kleinen Auswahl: Machen wir einmal das an einigen, schnell erklärten Beispielen, was bei der Übernahme der ,Informationstafeln´ durch Bürgermeister Fuchs am 13. April 2011 empfohlen wurde: Informieren wir uns ,anhand der Literatur´.

Nehmen wir dazu das Buch ,Häftling 20801´ von Aime Bonifas in die Hand, seit Jahrzehnten vorhanden in der Stadtverwaltung Gardelegen. Und Daniel Blatmans Forschungsbericht ,Todesmärsche 1944/45´, seit Monaten vorhanden und als ,Standardwerk´ mehrfach bei der Übernahme der Informationstafeln durch Bürgermeister Fuchs am 13. April 2011 empfohlen. Beides keine Spezialisten-Literatur, sondern weitverbreitet, und beides Literatur, die Bürgermeister Fuchs und seinen Mitarbeitern in der Stadtverwaltung vor der Übernahme der Informationstafeln zweifelsfrei zur Verfügung stand.

Bonifas hat bereits 1948 lückenlos den Ablauf seiner Tage zwischen dem 11. und dem 14. April 1945 geschildert. Das Buch erschien in den 1960-er Jahren erstmals im Union Verlag (Ost-) Berlin. Ich beziehe mich auf die Seiten 191 bis 193. Bonifas lässt keinen Zweifel, dass er bis zum Mittag des Sonnabend, 14. April 1945, lückenlos mit dem spanischen Anarchisten Amaro Castellvi im Wald zwischen Letzlingen und Lindenthal zusammen war... Castellvi hat dem nie widersprochen. Bonifas hat Jura studiert und ist später Pfarrer geworden. Auf der Informationstafel ,Die Feldscheune als Gedenkort´ steht aber: ,Castellvi überlebte das Massaker in der Feldscheune.´ Wie kann Bürgermeister Fuchs auf der städtischen Gedenkstätte für die Opfer des Massakers vom 13. April 1945 ausdrücklich einen Mann als Überlebenden des Massakers herausstellen lassen, von dem ein glaubwürdiger Zeuge behauptet, dass er mit ihm während des Massakers, an einem ganz anderen Ort zusammen war?

Noch ein Beispiel: Auf der Tafel ,Die Täter´ prangt ein riesengroßes Bild des Mannes und die unmissverstehbare und uneingeschränkte Aussage: ,Ein Hauptverantwortlicher des Massakers war der damals 35 jährige NSDAP-Kreisleiter Gerhard Thiele. Im August 1945 geriet er in Stendal als vermeintlicher Wehrmachtssoldat in Kriegsgefangenschaft.´ Die Information im zweiten Satz ist falsch. Thiele war niemals in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, wie der Bürgermeister und die ihm in der Stadtverwallung zur Verfügung stehenden Aktenverwalter und eingesetzten Fachkräfte hätten schnell bemerken, erinnern oder recherchieren können, aber dieser Blödsinn ist wenigstens juristisch nicht relevant. Nicht so die Tatsachenbehauptung im ersten Satz. Daniel Blatman gibt in seinem Buch ,Todesmärsche´ auf Seite 607 das Fazit eines Gesprächs mit ,einem der leitenden Ermittler´ in der Causa Thiele in der BRD, Daenekas, wieder, ,durch dessen Hände Hunderte von Zeugenaussagen und die Akten aller, die einer Beteiligung an dem Massaker in Gardelegen verdächtigt wurden´ gegangen waren. ,Im Gespräch... sagte er, er könne sich an keinen anderen Fall erinnern, in dem derart viele zur Sache Vernommene die Schuld beinahe ausschließlich den beteiligten SS-Aufsehern zugewiesen hatten, anstatt Thieles Anteil an der Tat zur Sprache zu bringen...´

Mit anderen Worten: Einer der leitenden Ermittler in der BRD machte dem Buchautor Blatman unmissverständlich klar, dass es kaum Anschuldigungen, geschweige denn Beweise gegen Thiele gibt, trotz Hunderter in einem freien Staat unter freien Bedingungen unter Eid vernommener Zeugen, die nur eine Bestrafung bei Meineid etc. zu befürchten hatten. Damit ist die juristische Sachlage auch Aktenunkundigen klar. Es gilt ohnehin Paragraf 190 Strafgesetzbuch. Es hat nie ein Gerichtsverfahren oder gar ein Gerichtsurteil mit Schuldspruch gegen Thiele gegeben. Es gilt aber auch Paragraf 189 StGB, der bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Paragraf 77 sogar Bestrafung der Verbreiter der Beschuldigung vorsieht. Und Thiele hat Nachkommen, die jederzeit mit Paragraf 77 StGB den Paragrafen 189 in einem Strafantrag gegen den Bürgermeister der Stadt Gardelegen geltend machen und durchsetzen können, und zwar noch dramatischer, wenn sie Akteneinsicht durchsetzen. Herr Fassunge war da ja absolut unmissverständlich – aber ich wollte ja bei den Beispielen bleiben, die für jedermann sofort ohne Aktenkenntnis deutlich sind.

Noch ein solches Beispiel: Auf der Informationstafel ,Das Massaker in der Feldscheune´ werden Hilfsdienstleistende der SS beim Massakergeschehen erwähnt: ,Darunter befanden sich auch etwa 25 deutsche KZ- Häftlinge.´ Daniel Blatman, der die entsprechenden Akten auch gelesen hat, schreibt in seinem Buch ,Todesmärsche´ aber anderes: ,Insgesamt wurden 25 Häftlinge ausgesucht, die meisten von ihnen Reichsdeutsche, einige Volksdeutsche und manche auch Polen, die sich als Volksdeutsche ausgaben... Sechs von ihnen waren polnische Staatsbürger und einer tschechischer Nationalität.´ (Seite 543)

Bak, den das Informationssystem auf der Tafel ,Zeugnisse von Überlebenden´ herausstellt, sprach in dem zitierten Dokument von weiteren Polen und Tschechen und ließ sich später auch über Russen als Wachtposten in deutschen Uniformen beim Scheunenmassaker aus. Cretin, den das Informationssystem auf derselben Tafel herausstellt, sprach in dem zitierten Dokument auch von Franzosen, die...

All dies ist im Aktenbestand des Stadtarchivs Gardelegen greifbar. Und der seinerzeitige ABM-Streetworker Rupert Kaiser hat Mitte der 1990-er Jahre sogar einige amerikanische Beta-Quellen übersetzt, in denen die Namen einer Reihe dieser nichtdeutschen ,Hilfsdienstleistenden´ detailliert aufgeführt werden. Auch in diesem Fall die Frage: Warum ist das passiert, was jetzt, 2011, passiert ist?

Dass ich die Zusammenstellung der ,Informationen´ über den ,Holocaust´ und die jüdischen Opfer des Massakers im Informationsgefüge der Gedenkstätte nicht akzeptabel finde, habe ich schon lauthals am 13. April kundgetan. Ich möchte es an dieser Stelle nochmals ausdrücklich wiederholen. Meine Auffassung dazu ist: Wer das so lässt, wie das jetzt dasteht auf dieser Gedenkstätte, einem Lernort, wechselt aus einer ,Hoppla-da-ist-was-durchgerutscht-was-so-gar-nicht-gemeint-war´-Situation in eine ,Das-bleibt-jetzt-so´-Verantwortung hinüber, und darf sich nicht wundern, wenn jemand an ihm den Paragrafen 130 StGB, ein Offizialdelikt, ausprobieren lässt.

Doch eine Sache heute noch, die sich ein normaler Besucher auf der Gedenkstätte nicht durch logisches Denken, bloßen Augenschein. Allgemeinwissen oder einfachen Literaturabgleich erschließen kann. Auf der Tafel ,Der Friedhof als Gedenkort´ wird informiert: ,Aufgrund einer testamentarischen Verfügung wurde hier beispielsweise 1946 ein inzwischen verstorbener Überlebender des Todesmarsches beerdigt.´ Die Sprachnutzung und Klarheit der Begriffe auf den Informationstafeln lässt nicht nur hier zu wünschen übrig. Aber darum geht es im Augenblick nicht: Der als ,inzwischen verstorbener Überlebender des Todesmarsches´ Bezeichnete war einer der zwei Kapos aus Hannover-Stöcken, die gemeinsam mit vier SS-Angehörigen als Bewacher einen Todesmarsch von Mieste nach Zichtau und dann weiter nach Gardelegen bewältigt haben. Er hat am 25. April 1945, in der Stunde der Einweihung des Opferfriedhofes, in einer inhaltlich sehr knappen Aussage vor dem US-Hauptmann Samuel G. Weiss eingeräumt, nach der Ankunft des Todesmarsches in der Remonteschule in der Mittwochnacht (11. April 1945) ,für die deutsche Armee´ gearbeitet zu haben. (Was in deutschen Uniformen und bewaffnet geschah, wie man aus anderen Zeugenaussagen weiß.) Jener „Überlebende des Todesmarsches“ behauptete aber, am Freitag Nachmittag (am 13. April 1945 ), als der Ausmarsch der Häftlinge Richtung Flugfeld begann, aus der Remonteschule weggegangen zu sein. Bei seiner Rückkehr in die Remonteschule sei gerade der Abtransport der maladesten Häftlinge auf den Wagen vonstatten gegangen. Über sein Tun in der Nacht des Massakers schwieg sich der Hilfsdienstleistende völlig aus. Das alles kann jedermann jederzeit lesen, der seine Nase in die Akten steckt.

Einen Mann, der 1945 während der Todesmärsche gewiss nicht in der Masse der Opfer mitlaufen musste und der schließlich auf der Seite der Täter handelte, in einer Gedenkstätte für die Opfer der Todesmärsche und des Massakers in einem knapp bemessenen Informationssystem als beklagenswertes Opfer extra herauszustellen, als ,Überlebenden des Todesmarsches´, sagt einiges aus. Eine Verhöhnung der tatsächlichen Opfer der Todesmärsche und des Massakers ist es allemal. In Kenntnis der gesamten Aktenlage behaupte ich – und ich kann es belegen und beweisen –, dass eine Gegenüberstellung der gegenwärtig noch in den Aktenbergen ,verborgenen´ Informationen mit den Tatsachenbehauptungen auf den gegenwärtigen Informationstafeln noch aufsehenerregender ausfallen wird, aber das ist nicht das Thema heute an dieser Stelle.

Heutiges Fazit: Allein schon durch bloßen Augenschein, leichtfallenden Literaturvergleich, logisches Denken, Allgemeinwissen und oberflächliche Ortskenntnis lässt sich das Informationsangebot als insgesamt unglaubwürdig und unzutreffend erkennen und aus den Angeln heben. Konsequenz: Die Stadt Gardelegen sollte sich schnellstens von diesen (Des-) Informationstafeln in ihrer Gesamtheit trennen.“

leichtfallenden Literaturvergleich, logisches Denken, Allgemeinwissen und oberflächliche Ortskenntnis lässt sich das Informationsangebot als insgesamt unglaubwürdig und unzutreffend erkennen und aus den Angeln heben. Konsequenz: Die Stadt Gardelegen sollte sich schnellstens von diesen (Des-) Informationstafeln in ihrer Gesamtheit trennen.“

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